Die folgende Predigt über die Autorität der Bibel hat doch für einige Aufregung gesorgt; vielleicht auch, weil ich mich noch nie so klar und unmissverständlich ausgedrückt habe, wie in diesen 30 Minuten.
Zum Hintergrund: Wir haben als Gemeinde die E-Mail eines jungen Mannes erhalten, in der er uns erklärt, warum er kein Christ mehr ist. In dieser E-Mail finden sich sämtliche Gründe, die Tobias Faix in seiner Studie herausgefunden und veröffentlich hat (Tobias Faix: „Warum ich nicht mehr glaube – Wenn junge Erwachsene den Glauben verlieren“). Nach dem Erhalt dieser E-Mail war ich nicht bereit, einfach zur Tagesordnung überzugehen (auch wenn dieser junge Mann gar nicht zu unserer Gemeinde gehörte und höchstens zwei mal im Jahr bei uns im Gottesdienst aufgetaucht ist). Stattdessen habe ich damit begonnen, mich in einer Predigtreihe damit auseinander zu setzen, was den Glauben erschwert und wie ein widerstandsfähiger (resilienter) Glaube aussehen könnte.
Und wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, dann kommt man an der Frage nach dem Schriftverständnis nun einmal nicht vorbei! Denn der Bibel-Fundamentalismus mag auf der einen Seite diejenigen Geschwister beruhigen, denen die Gewissheit des Glaubens nicht reicht und die darum nach Sicherheiten streben. Auf der anderen Seite jedoch führt der Bibel-Fundamentalismus dazu, dass junge Erwachsene an diesem Schriftverständnis verzweifeln – und am Ende nicht nur die Bibel wegwerfen, sondern auch ihren Glauben.
Insofern bin ich durchaus bereit, die verständnislosen oder auch erzürnten Rückmeldungen auszuhalten, obwohl ich ein äußerst harmoniebedürftiger Mensch bin. Aber wenn Ihr Euch die Predigt anhört bzw. anschaut, dann vergesst bitte nicht: „Anders denken heißt nicht, böse denken!“ Zu einer sachlichen Auseinandersetzung bin ich gerne bereit, aber wüste Beschimpfungen werde ich löschen.
Wenn Babys geboren werden, dann bringen sie einige Reflexe mit, die ihnen das Überleben sichern sollen. Zu diesen gehört neben dem Schlucken und Saugen auch der Greifreflex. Übt man etwas Druck auf ihre Handinnenfläche aus, so greifen ihre klitzekleinen Fingerchen zu und klammern sich fest.
Angesichts ihrer eigenen Schutzlosigkeit und Abhängigkeit bringen Neugeborene also die Fähigkeit mit, sich dort festzuklammern, wo es für sie Halt und Sicherheit gibt.
Ich bin fest davon überzeugt: Nicht nur unser Körper bringt solch einen Greifreflex mit, sondern auch unsere Seele.
Denn angesichts einer Vielzahl von unbeantworteten existentiellen Fragen sind wir in unserer Seele ebenso schutzlos und abhängig wie ein Baby, und seien wir auch noch so alt: „Was ist der Sinn meines Lebens? Hat das alles überhaupt einen Sinn? Bin ich ein Zufallsprodukt? Hat mein Leben ein Ziel? Wo finde ich ein tragendes Fundament angesichts von Schmerzen und Leiden? Was wird am Ende wirklich zählen? Was kommt nach dem Tod? Wie kann Schuld gesühnt werden? Und gibt es Vergebung für meine Schuld? Wer sagt uns eigentlich, was gut und richtig ist? Woher kommt das Böse in der Welt?“
Solche Fragen werden nicht immer ausgesprochen, aber sie sind da, treiben uns um, verunsichern und ängstigen. Und angesichts dieser Hilflosigkeit hat die Seele einen Greifreflex entwickelt. Sie klammert sich (oft unbewusst) an etwas fest, was ihr den erhofften Sinn und Halt geben soll.
Manchmal klammert sich unsere Seele an den Partner: „Du sollst der Sinn meines Lebens sein.“ Doch der Partner ist mit diesem Anspruch überfordert und erstickt darunter. Die Beziehung zerbricht.
Ein anderes Mal klammert sie sich an das gerade vorherrschende Schönheitsideal und an das Streben nach körperlicher Kraft, Fitness und Unversehrtheit. Das kann einige Jahre gut gehen. Doch es kommt die Zeit, in der sie die Erfahrung macht, dass Alter und Krankheit sich nicht aufhalten lassen.
In anderen Phasen unseres Lebens klammert sich die Seele an den Beifall und die Anerkennung anderer Menschen. Bis sie schließlich schmerzlich erkennen muss, dass Anerkennung nur ein Abglanz von dem ist, was Liebe zu geben vermag: Anerkennung erfährst du für das, was du tust. Liebe aber liebt dich, weil du bist!
Sehr gerne klammert sich unsere Seele an materiellen Besitz. Denn er vermittelt uns das Gefühl, abgesichert und versorgt zu sein. Und oft wird gerade dieser Klammergriff zu einem Krampf, der sich kaum noch lösen lässt. Menschen, die bereits viel haben, wollen immer noch mehr. Auf dem Sterbebett lassen sie dann alles zurück (sie vererben ihr Vermögen den Kindern, die sich wiederum daran klammern).
Christus hat diesen Greifreflex der Seele einmal so beschrieben (im Evangelium nach Matthäus, Kapitel 4, Vers 4): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!“
Das Irdische reicht ihm nicht, um zu leben. Reichtum und Besitz, körperliche Kraft und Fitness, Erfolg und Anerkennung – das alles kann seiner Seele nicht den erhofften Halt geben. Es stellt sich kein innerer Friede ein.
Woran aber soll sich die Seele klammern? Wen oder was könnte sie ergreifen? Wovon lebt denn der Mensch, wenn nicht „vom Brot alleine“?
Noch einmal Christus (in Mt.4, 4): „In Wirklichkeit ist er ganz abhängig davon, dass Gott sein lebendig machendes Wort ausspricht.“
Das größte und herrlichste Geschenk, das einem Menschen jemals widerfahren kann, ist nicht der Traumpartner, nicht der Nobelpreis, nicht der Lottogewinn und nicht einmal jahrelange körperliche Unversehrtheit (zweifelsohne ein hohes Gut).
Das größte und herrlichste Geschenk, das einem Menschen jemals widerfahren kann ist, vom Wort Gottes in der eigenen Seele berührt zu werden.
Gott berührt dich mit seinem Wort und deine Seele greift zu. Sie klammert sich an Christus, den Sohn Gottes: gestorben und auferstanden, um dich mit Gott zu versöhnen!
Versöhnt mit Gott kommt die Seele zur Ruhe. Verbunden mit Christus lösen sich die zahlreichen anderen Klammergriffe. Das Leben beginnt, sich mit Leben zu füllen! Eine nie gekannte innere Freiheit entsteht:
Freiheit von den unrealistischen Erwartungen an den Partner, Freiheit von der Anerkennung und den Beifall anderer Menschen, Freiheit vom Streben nach materiellem Besitz, Freiheit vom Ideal körperlicher Unversehrtheit, Freiheit von stofflichen und nichtstofflichen Süchten, Freiheit von Kontrollzwängen und der Illusion, das eigene Schicksal in der Hand zu halten.
Du wirst frei, um zu leben, frei um zu loben, frei um zu lieben!
Das Wort Gottes ist eine unvergleichliche einzigartige Kraft. Es führt hinein in eine Lebensdimension, die sich niemals verbraucht, die ewig hält und trägt.
„Wen der Sohn Gottes frei macht, der ist wirklich frei!“ (Johannes 8, Vers 36)
„Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird bis in die Ewigkeit hinein nie mehr von Durst gequält werden. Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer Quelle werden, die immer weiter sprudelt, bis in das unbegrenzte, ewige Leben hinein.“ (Johannes 4, Vers 14)