Anbei ein Artikel, den ich für die Zeitschrift „AUFATMEN“ geschrieben habe. Der tödliche Unfall ist inzwischen über ein Jahr her. Das Kreuz steht noch immer am Straßenrand und erinnert mich jeden Tag an die hier beschriebene Situation.
Aufgrund einiger Rückmeldungen habe ich das am stärksten verletzende Wort nun endlich aus diesem Text genommen und es durch eine weniger lieblose Formulierung ersetzt. Es bringt nichts, wenn man eigene Verletzungen dadurch aufarbeiten will, dass man nun selber damit anfängt, andere zu verletzen. So, wie es jetzt formuliert ist, passt es für mich. Denn immerhin handelt dieser Text von Menschen, die Trost gesucht haben – aber Belehrung fanden. Und das tut einfach verdammt weh. Insofern drücken diese Zeilen für mich das aus, was man empfindet, wenn man unmittelbar nach einer solchen Enttäuschung wieder nach Hause schleicht:
Mathe ist ein Rätsel - doch du bist auch nicht besser, du Seelenfresser und Liebesvergesser. Ich hab doch tatsächlich gedacht, es macht dir was aus, wenn ich berichte, meine Geschichte vom tobenden Sturm in der Seele, wie ich mich quäle zum Licht und es doch verfehle. Ich bin wie eine Quittung, die niemand mehr braucht, zerknüllt und in den Matsch geworfen. Die Seele gestaucht, den Sinn verloren, verfluchend den Tag, an dem ich geboren.
Ich habe Halt gesucht, ein offenes Ohr, ein fühlendes Herz - ist das denn so schwer? Ich begehr ja nicht mehr, als dass du mich stützt, nur für ein paar Stunden, bis das Grauen vergeht. "Verflucht ist der Mensch, der sich auf Menschen verlässt". Und doch konnte ich nicht glauben, dass es nicht nützt, zu hoffen, dass da einer ist, der versteht.
Du hast mich einfach fort geschoben, mich verprügelt mit deinem besseren Wissen: "Was jetzt zählt, ist die Tat: beflissen zu glauben und sich nicht zu beschweren. Der Teufel will dir die Hoffnung rauben, dagegen musst du dich wehren. Steh endlich auf, anstatt hier zu jammern, reiß dich zusammen und fang an zu beten!"
Du hast meine Hoffnung mit Füßen getreten, hast mich auf Abstand gehalten mit deiner Predigt: ein frommer Spruch - und schon schien alles erledigt. Vielleicht gehörst du zu denen, die ihr Heil verwalten in Regalen voller klugen Sprüchen, die nichts wissen von Rissen und Brüchen. Wer selbst keinen Halt hat, der kann andre nicht halten!
Mathe ist ein Rätsel - doch Mathe kann man lernen. Dich aber in deinen frommen Sphären werde ich wohl nie verstehn. Inzwischen weiß ich: Es war ein Fehler bei dir Halt zu begehrn, denn du hast es nie gesehn, das Grauen der Nacht. Dir fehlt die Erfahrung, die barmherzig macht!