Die Maßnahmen zum Schutz vor einer Infizierung mit dem Corona-Virus wurden gelockert, so dass es nun wieder möglich ist, in die Kirche zu gehen und einen Gottesdienst mitzuerleben. Doch warum sollte man das überhaupt tun? Bietet der Gottesdienst-Besuch denn irgendeinen Mehrwert?
Der Beter von Psalm 84 ist geradezu wild darauf, wieder in das „Haus Gottes“ zu kommen. Ist der Typ noch normal? Warum ist das bei ihm so?
Ende Oktober war ich zum „Couchgespräch“ in der Freien evangelischen Gemeinde Böblingen und wurde dort von Pastor Manuel Neeb interviewt. Dabei wurden die folgenden Themen angesprochen: „Was ist eigentlich eine Zwangserkrankung? Was macht diese Krankheit mit Menschen, die aus einem christlichen Elternhaus kommen? Wie kommt es zur Entwicklung einer Alkoholsucht? Welche Vor- und Nachteile hat ein gottloses Leben? Warum fällt es uns in der Kirche oft so schwer, offen und ehrlich über unsere Risse und Sprünge zu sprechen? Was können unsere kirchlichen Kreise von den Anonymen Alkoholikern lernen? Was ist das eigentlich für ein Gott, der Menschen leiden lässt?“ Insgesamt 50 spannende und kurzweilige Minuten!
Man sieht meiner Gesprächspartnerin ihren Lebenswandel in den letzten zwanzig Jahren deutlich an: schwerste chronische Alkoholabhängigkeit, Bulimie, mehrfache Aufenthalte in der Psychiatrie, Wohnungsräumung und zwischenzeitliche Obdachlosigkeit, inzwischen deutliche körperliche Schädigungen an mehreren Organen. Irgendwie kommen wir auch über ihre Erfahrungen mit dem christlichen Glauben und mit der Kirche ins Gespräch. Sie meint, sie habe vor ein paar Jahren einige Kirchen besucht (vor allem auch einzelne Freikirchen), und das sei gar nicht so schlecht gewesen: „Die Leute dort sind sehr freundlich und zugewandt – solange man sich ihnen anpasst!“ Nun will ich diesen Satz meiner Gesprächspartnerin nicht auf die Goldwaage legen, doch einfach übergehen kann ich ihn auch nicht. Denn wenn das stimmt, wenn wir in unseren kirchlichen Gruppen und Gemeinschaften nur dann offen und zugewandt zu den Menschen sind, wenn sie unseren Erwartungen entsprechen (wenn sie also jetzt schon so leben wie wir meinen, dass sie leben sollten), dann haben wir ein riesiges Problem. Dann handeln wir nicht mehr so, wie Jesus Christus, unser Herr, handeln würde!
Auf der Rückfahrt von diesem Besuch denke ich mir: „Vielleicht müsste man eine Kirche speziell für die unteren Zehntausend gründen, also gerade für die, denen bereits auf dem Parkplatz vor der Kirche schwindelig wird, wenn sie unsere gehobenen Mittelklasse-Autos sehen.“ Aber wäre das die Lösung? Ich bin mir da nicht sicher. Viel besser wäre es vermutlich, wenn Kirche die Kraft hätte, alle zu integrieren, die Erfolgreichen ebenso wie die Gestrandeten. Nur kenne ich bislang kaum eine kirchliche Gemeinschaft, bei der das wirklich funktioniert. Und ich frage mich: Warum ist das nicht möglich? Schließlich hat Jesus immer wieder betont, dass er für die Kranken gekommen ist und nicht für die Gesunden! Und er hat dies nicht nur betont, sondern vor allem auch gelebt – er hat es uns vorgelebt.
Bis heute habe ich keine Antwort darauf. Aber vielleicht ist das ja auch okay: wenn ein Pastor nicht immer die fertigen Lösungen und perfekten Antworten hat, sondern eben auch einige ungelöste Fragen. Und wenn Sie eine Antwort haben, dann dürfen Sie mir gerne schreiben. Jedenfalls sollten wir uns nicht damit abfinden, wenn unsere Kirchengemeinden und Gemeinschaften eine ganze Bevölkerungsgruppe nicht mehr erreichen. Denn auch diesen Menschen gilt doch die Einladung von Jesus: „Ich bin gekommen, um euch das Leben zu geben – Leben im Überfluss.“ Vielleicht darf man sogar sagen: Gerade ihnen gilt diese Einladung. Und die Kirche sollte der Ort sein, wo dies erfahrbar wird.
Das folgende „Wort zum Wochenende“ stammt – wie man unschwer erkennen kann – aus der vergangenen Zweitliga-Saison (ich hatte vergessen, es hier einzustellen). Inzwischen können die Kickers wieder siegen – aber das hat fast ein Jahr gedauert…
Man sagt, die großen Fußballstadien seien die „Kathedralen der Neuzeit“, da an jedem Wochenende Hunderttausende Fans in die Stadien pilgern, um ihrem Verein zu huldigen, während zugleich immer weniger Menschen regelmäßig in die Kirchen gehen, um den dreieinigen Gott anzubeten. Aber muss das zwingend eine Alternative sein: Kickers oder Kirche? Für mich ist es das nicht!
Als Kickers-Fan mit einer Stehplatz-Dauerkarte habe ich bislang noch kein einziges Heimspiel verpasst. Ehrlich gesagt war es nicht immer begeisternd, was ich da zu sehen bekommen habe. In der zweiten Liga werden die Spiele eben nicht durch Eleganz und Technik, sondern eher durch Kampfbereitschaft entschieden, und manchmal wird dann aus dem Kampf ein ziemlicher Krampf. Aber es waren auch echte Highlights dabei, allen voran das 3:0 gegen den großen VfB Stuttgart. Da habe ich mich auf der Tribüne mit wildfremden Menschen abgeklatscht und gemeinsam haben wir gesungen: „Oh, wie ist das schön…“.
Als Christ besuche ich an jedem Wochenende den Gottesdienst. Auch hier sind die Erfahrungen unterschiedlich. Manchmal empfinde ich den Gottesdienst als etwas zäh und verkrampft – was allerdings auch an meiner subjektiven Wahrnehmung oder an meiner eigenen Haltung liegen kann. Andere Gottesdienste wiederum sind echte Höhepunkte für mich: Da bete ich Gott von ganzem Herzen und mit ganzer Kraft an, da erlebe ich lebendige Gemeinschaft mit den Geschwistern, da werde ich durch das göttliche Wort getröstet, gestärkt, ermutigt oder auch ermahnt, wo es nötig ist. Da begegne ich Jesus Christus im Abendmahl und sein Heiliger Geist erfüllt mein Herz mit Freude und Dankbarkeit. Gestärkt gehe ich dann wieder in den Alltag zurück, in dem Bewusstsein: „Jesus ist bei mir – egal, was ich tue und wo ich auch bin: ER lässt mich nicht los.“
Kickers oder Kirche? Zum Glück muss ich mich ja nicht zwischen beiden entscheiden, aber müsste ich es, so würde ich die Kirche wählen.
Die Entwicklung der Würzburger Kickers ist ein Phänomen, das zurecht Begeisterung in der gesamten Region auslöst (zumindest bei allen Fußball-Interessierten). Und ich hoffe sehr, dass bis zum Ende der Saison die rettenden 40 Punkte noch erreicht werden. Aber Fußball ist und bleibt eine Nebensache.
Es sind eben nicht die Kickers, sondern Jesus Christus, der mein Leben segnet: Es ist Jesus, der mir meine Schuld vergibt, mich aus Abhängigkeiten befreit, mein Herz mit Liebe und Freude füllt, mich in dunklen Stunden festhält und der mir Trost, Kraft und Hoffnung schenkt – selbst über den Tod hinaus. Und so ist jedes Osterfest für mich ein ganz besonderes Highlight, denn Christus hat den Tod besiegt, ein für allemal. Jesus ist Sieger – über Hölle, Tod und Teufel und über jede Form von Erstarrung und Verwesung. Auch mich hat er in seiner Liebe heraus gezogen aus dem Sumpf meiner Selbstbezogenheit und Schuld . Das werde ich feiern – und wie!
In Psalm 26,8 heißt es: „Ich liebe das Haus, in dem du wohnst, wo du in deiner Herrlichkeit uns nahe bist.“ Ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn schon ein Hauch der göttlichen Herrlichkeit im eigenen Leben ist erfüllender als alles, was die Welt an Herrlichkeiten zu bieten hat.
Sollten Sie ein Fußballfan sein, dann sehen wir uns vielleicht am Samstag auf dem Dallenberg: beim Heimspiel der Kickers gegen Dynamo Dresden. Noch schöner aber wäre es, wir würden uns auch einmal in einem Gottesdienst treffen. Wobei es nun wirklich nicht meine Kirche sein muss, die Sie besuchen. Ich hoffe nur, dass Sie es einmal ausprobieren, denn beides ist möglich: Kickers und Kirche!
Die Frage, was „man“ als Christ darf und nicht darf, wird oft unterschiedlich beantwortet. Und das führt zu Konflikten und gegenseitiger Ablehnung, nach dem Motto: „Was, Du willst Christ sein?“
Auch die christliche Gemeinde in Rom hatte Stress in dieser Frage. Und der Apostel Paulus schreibt ihnen: „Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat, zu Gottes Lob!“
Eine Predigt zu Römer 15, Vers 7, der „Jahreslosung“ für das Jahr 2015. Zum Download geht es hier.